Vor kurzem hatten wir hier auf dem Blog einen Vergleich der aktuellen Version der Canon EOS 5D Mark IV sowie deren Vorgängerin, der Mark III. Schaut man sich auf dem Markt um ist aktuell ein weiteres Thema in der öffentlichen Diskussion bestimmend: Die Spiegellosen Kameras von Canon, Sony, Fuji und Nikon. Großen Wirbel hat dabei die etwas überraschende Veröffentlichung von Canons „kleiner“ EOS RP – der Schwester der EOS R – verursacht. Was unterscheidet diese Kameras und für wen ist welche Variante die richtige?

Im Februar, etwas mehr als 4 Monate nach der Veröffentlichung der ersten Spiegellosen Kamera aus dem Hause Canon, kam ohne großes Vorgeplänkel das zweite Modell von Canon für die R-Serie: die Canon EOS RP. Es ist natürlich dieser eine Punkt, der die EOS RP im Gegensatz zu ihrem Schwestermodell und generell auf dem Markt positioniert: 1.500€ UVP, aktuell um 1.200€ Straßenpreis – und das für eine neue Vollformatkamera – das ist eine Kampfansage. So einen Preis bekommt man natürlich nicht ohne Kompromisse hin. Diese wollen wir uns nun einmal anschauen und im Vergleich zum Flaggschiff bewerten.

Beginnen wir mit dem Herzstück: In den beiden Kameras werden unterschiedliche Sensoren verbaut. Dies schlägt sich in unterschiedlichen Parametern nieder: Auflösung, maximale ISO, Dynamikumfang. Letztendlich handelt es sich bei dem R-System um einen weiterentwickelten 5D-Mark IV Sensor, bei der RP um eine Weiterentwicklung der 6D II. Damit dürfte die Ausrichtung der günstigeren Kamera auf Enthusiasten sein, während das Hauptsystem klar Profis ansprechen soll. Für den gegebenen Preisunterschied ist der Unterschied bei den Sensoren aber überraschend gering.

Generell benutzen beide Kameras das gleiche Autofokus-System (Phasenkontrast). Die R ist hier etwas komfortabler, da mehr Messstellen zur Verfügung stehen. Dieser ist im großen Modell auch etwas schneller, was wohl eher aus Marketing- denn aus technischen Gründen der Fall sein dürfte. Ansonsten bekommt man bei beiden Systemen gute Ergebnisse – hier fällt die Kaufentscheidung auf jeden Fall nicht.

Ein großer Streitpunkt spiegelloser Systeme war und ist der EVF (Electronic Viewfinder = elektronischer Sucher). Dieser ist ein starkes Argument für die EOS R. Hell, groß und scharf – so lässt sich der kleine Bildschirm zusammenfassen. Leider ist dieser dem Rotstift zum Opfer gefallen. In der RP wird der Sucher der M50 verbaut. Dieser ist zwar nicht schlecht, aber liegt eben doch deutlich hinter der R zurück. Hier gilt es zu testen, ob man mit der niedrigeren Qualität zurechtkommt.

Was die Videofähigkeiten der R-Reihe angeht hatte sich Canon ja leider nicht unbedingt mit Ruhm bekleckert. Extremer Beschnitt (um den Faktor 1.8) war der größte Kritikpunkt. Hier hält die RP das Level im Groben – einzig bei Formaten und Ausgabemöglichkeiten muss sie etwas zurückstecken. Für ernsthafte Videographen dürften beide Kameras wohl eher nichts sein.

Ebenfalls immer ein Thema bei den Spiegellosen: Die Akkulaufzeit. Es ist ja klar: während bei einer Spiegelreflexkamera einfach das natürliche Licht im Sucher zu sehen ist, muss eine Spiegellose dauerhaft die Infos vom Sensor auslesen, umwandeln und auf einem Bildschirm darstellen. Das kostet Strom und blickt man auf die mögliche Anzahl von Fotos auch nicht zu knapp. 370 Aufnahmen schafft die R minimal, das ist schon ein herber Rückschritt zu 800 Bildern und mehr bei den klassischen Spiegel-Systemen. Aber bei der RP wird ein nochmal kleinerer Akku verbaut: Nach knapp über 200 Fotos kann hier schon Schluss sein, also etwas mehr als die Hälfte. Ein wichtiges Kriterium, immerhin muss man für das gleiche Shooting fast die doppelte Anzahl Akkus anschaffen. Ein immenser Kostenpunkt.

Die Gehäuse unterscheiden sich nicht allzu sehr. Die RP ist nochmal etwas kleiner und leichter als die R. Hier kann man sagen, dass ein Vorteil der spiegellosen Systeme weiter ausgebaut wurde. Allerdings ist an der RP auch weniger verbaut. Die M-Fn bar fehlt, das Display auf dem Gehäuse wurde wegrationalisiert – ansonsten sind die Kameras ähnlich. Zurechtkommen tut man in jedem Fall mit beiden.

Zusammenfassung: Besserer Sensor, besserer Akku und besserer Sucher sprechen eindeutig für die große EOS R, aber 1000€ zu sparen ist nicht zu verachten. Letztendlich wird sich die Entscheidung einzig und allein am eigenen Preislimit entscheiden. Wer das Geld entbehren kann wird wohl ohne zu zögern zur EOS R greifen. Zu praxisrelevant sind die Unterschiede, gerade für Profis. Aber Einsteiger oder private Fotografen werden mit der EOS RP auch glücklich werden. Denn letztendlich ist diese Kamera der günstigste Einstieg in die spiegellose Vollformat-Fotografie – und nicht nur wegen ihres Preises ein guter Einstieg.