Digital geht viel und so wird vor allem in diesem Bereich der basteln Fotografen in aller Welt an den „Bilder herum“. Bildbearbeitung macht es möglich und so gibt es inzwischen viele Wege, nicht nur perspektivische Verzerrungen zu korrigieren. Auch die Fotografie mit Nodalpunktadapter ist bei der Architekturfotografie eine gute Möglichkeit tolle Ergebnisse mit relativ einfachen Mitteln zu erzielen. Leider nützt alles am Ende eigentlich nichts. Räumlich korrekt in hoher Qualität fotografieren gelingt nur schwer und erfordert dann doch etwas mehr als ein Zoom-Weitwinkel auf der Kamera.

Also, was tun?

„Architektur fotografieren mit Vollformat, oder doch lieber APS-C? Muß ich einen größeren Sensor haben, Mittelformat sogar? Benötige ich für über 4000 Euro ein Hartblei 40mm Superrotator, oder macht vielleicht eine alte Fachkamera und analoge Fotografie im Großformat Sinn ?“

Wer für Architekten fotografiert, gleich ob Immobilien oder Innenarchitektur, wird keinen Kunden mit Weitwinkelobjektiven zufrieden stellen können. Selbst jeder Messebauer wird durchdrehen, wenn sein Messestand nicht mit der räumlichen Tiefe abgebildet ist, die auch wirklich vorhanden ist. Ebenso muß nicht nur alles gerade sein, sondern auch alles Rund, was Rund ist.

Wer einen 3dimensionalen Raum nicht in Stereoskopie abbildet, steht zunächst bei jedem 2dimensionalen Bild vor dem gleichen Problem, die richtige Abbildung der räumlichen Tiefe! So ein „nur“ zweidimensionales Bild fühlt sich schließlich anders an, als das, was wir mit eigenen Augen sehen. Bekannt ist,

der korrekte räumliche Eindruck entsteht für uns bei einer Brennweite von 42mm.

In der Praxis konnten wir feststellen, dass es bis zu einer Brennweite von 35mm bei keinem einzigen Kunden, egal ob Architekt, Messebauer, Immobilienmakler oder Interiordesigner zu einem Problemen kam. 24mm, 17 oder sogar mehr sehen spektakulär aus, werden aber von diesen Kunden nicht gewünscht!

Natürlich hat die Höhe der Kameraposition ebenfalls eine Auswirkung auf die räumliche Tiefe. Wird der Raum durch eine niedrige Brennweite zu tief, kann dies beispielsweise durch eine höhere Kameraposition etwas korrigiert werden. Die Praxis erfordert aber oft eine andere Arbeitsweise und darum gehen wir jetzt mal auf die verschiedensten Möglichkeiten der Architekturfotografie, inklusive Großformat Fachkameras, nicht weiter ein und betrachten das, was Sinn macht, zeitgemäß ist und „funktioniert“.

So ist die räumlich korrekte Darstellung also auch mit einem Canon TS-E 24 f3,5 II oder TS-E 17mm nicht möglich. Beide Objektive setzten wir zwar ein, allerdings nur an APS-C Sensoren. Wenn es aus Platzgründen geht, verwenden wir im Vollformat auch das Canon TS 45 2.8. Jedoch muß dann eine kleine Verzeichnung bei diesem Objektiv, sowie eine relativ hohe chromatische Aberration in Kauf genommen werden.

Die für uns besten Ergebnisse erzielen wir in diesem Bereich mit Mittelformatobjektiven, die über einen Zörk Adapter an einer Vollformatkamera angeschlossen werden. 35mm Brennweite und ein sehr großer Shiftbereich machen dann, trotz entspannter Brennweite, einen maximalen Bildausschnitt möglich. Egal ob ein Mamiya, Pentax oder gar Hasselbladobjektiv, mit dieser Kombination kann schnell, sauber und mit maximaler Qualität in der Praxis gearbeitet werden.

Neben der Möglichkeit des Mittelformatobjektivs an Vollformatsensoren über einen Zörkendörfer Adapter gibt es auch andere Angebote auf dem Gebrauchtmarkt. Darunter befinden sich auch teilweise extrem hochwertige Objektive. Da niemand solche Aufnahmen mit Autofokus macht, kann man sich getrost auch mal ein älteres Objektiv zulegen. Wir können sogar sagen, dass die Qualität der früheren Jahre heute kaum noch zu marktfähigen Preisen realisierbar ist. Es macht also wirklich sehr viel Sinn sich auf dem Gebrauchtmarkt nach hochwertigsten Objektiven von Zeiss, Schneider-Kreuznach, Pentax, Mamiya, Voigtländer, Hasselblad oder Leica um zuschauen. Hierbei haben wir in den letzten Jahren so ziemlich alles ausprobiert, was es zu kaufen gab. Ein Objektiv ist uns hierbei ganz besonders ans Herz gewachsen:

Zeiss SHIFT Objektiv Contax 35mm 2.8 PC

„Ein kleiner Schatz“. Ein exzellentes Shiftobjektiv, das bereits bei offener Blende extrem scharf ist. Auch mit hohen Blenden 8, 11 und sogar 16 ist die Bildqualität eben so, wie man das von einem richtigen Zeiss Objektiv erwartet. Bis in den äußersten Randbereich ist die Darstellung sehr gut.

Alle Tests die wir gemacht haben zeigten, dass vor allem die Chromatische Aberration immer wieder ein Problem ist. Das Zeiss Shift Objektiv schlägt auch in diesem Bereich jedes Objektiv, das wir bisher in den Händen hatten. Sehr nah an diese Qualität kommt auch das Pentax 645 35mm FA, welches wir teilweise mit einem ZÖRK Adapter weiterhin verwenden.

Aus eigener Erfahrung können wir heute sagen, dass eine sinnvolle, bezahlbare und praktische Foto Ausrüstung für hochwertige Architekturfotografie so aussehen sollte:

Fotostativ, Fernauslöser, Wasserwage, Polarisationsfilter (Standard immer und überall)

APS-C mit Canon TS-E 24mm 3,5II oder

Vollformat mit 35mm Zeiss Contax 2.8 Shiftobjektiv und Adapter, alternativ

Vollformat mit Pentax 35mm f3,5 FA mit einem Zörkadapter.

Nachtrag:

Ich erhalte immer wieder Anfragen bezüglich der Arbeitsweise mit verschiedenen Systemen,es scheint ja wirklich ein heiß diskutiertes Thema zu sein.

Vor allem wegen Bildvergleichen zum Canon TS-E 17mm. Natürlich ist das ein sehr gutes Tilt/Shift Objektiv, das streiten wir in keinem Falle ab. Die Frage ist, wie sich das Bild „anfühlt“. Was passiert, wenn am Bild gearbeitet und geschärft wird usw. Die schöneren Perspektiven gelingen für unseren Geschmack einfach mit 35mm. Trotzdem arbeiten wir auch mit den Canon TSE Objektiven. Manchmel geht es eben nicht anders. Dann aber bitte richtig, hierbei gehen wir wie folgt vor:

Für das 17mm Canon TSE gibt es ebenfalls bei Zörkendörfer für nur € 250,– einen Rear/Shift Adapter. Damit kann das Objektiv am Stativ fixiert werden. Nur so können bei Sticharbeiten Parallaxenfehler vermieden werden, denn bei der Aufnahme wird nicht das Objektiv, sondern die Kamera verschoben.

Das geht im Quer- und Hochformat, als auch über 4 Aufnahmen diagonal z. B. links oben nach rechts unten – dann Verdrehung des Objektives – rechts oben, links unten. Das Ergebnis ist ein absolut gigantischer Bildwinkel ohne Parallaxenprobleme.

Wer nicht ganz so viel Bildwinkel benötigt und mit längerer Brennweite arbeiten kann, erzielt schönere Perspektiven. Dazu das bereits erwähnte Zeiss Contax 35mm Shift Objektiv oder der Panorama/Shift Adapter, kurz PSA, von Zörk ( aktueller Preis € 595,–). Den gibt es dann für Mamiya 645 MF oder Hasselblad Objektive mit +/- 20mm Dezentrierung und 360° Verdrehung,  ein großartiges Werkzeug. Für Sticharbeiten ohne Parallaxenfehler ist hier ebenfalls eine Fixierung des Objektives und eine Verschiebung der Kamera bei der Aufnahme möglich. 

VORSICHT: Der PSA Adapter von Zörkendörfer geht bei APS-C Kameras in Verbindung mit Mamyia 645 Objektiven, da deren Sucher zu weit vorsteht ( die Shiftplatte dieses PSA steht schlägt dann an ). Für den PSA für Hasselblad Objektive passt an beiden Kameras.

Mit der Kameraverschiebung kann man bei zwei Aufnahmen und einer +/- 16mm Dezentrierung im Querformat eine Bildwinkel erzielen, wie er dem einer Aufnahme mit f=17mm im Vollformat entspricht. Im Hochformat über 3 Aufnahmen wie 20mm in der Länge und 24mm in der Höhe.

 

Kommentare:

Guten Tag,

ich habe eine Frage bzw. eine Anregung zu einem Nachtrag in ihrem Artikel auf ihrer Website zu „Räumlich korrekte Darstellung.Die Architekturfotografie Ausrüstung“.

Viele Fotografen verwenden die Canon 7D und wollen dies auch weiterhin tun.
Die TS-E Objektive werden nur eingeschränkt empfohlen, die guten Zeiss/Pentax nur für das Vollformat.
Stellt sich mir die Frage, was kann ich an einer 7D verwenden, um z.B. in einer Arztpraxis eine realitätsnahe Darstellung der Tiefe zu bekommen.
Aus Erfahrung weiß ich, mit einem 24mm Objektiv stößt man da bei APS-C an Grenzen.

Welche Objektive für APS-C würden Sie empfehlen – auch wenn es nicht die optimalste Kombi ist – schon klar.

Wäre informativ, dies in ihrem Artikel lesen zu können – oder gerne per mail.

Vielen Dank im voraus

Mit freundlichem Gruß
Boris Franz

 

 

Hallo Herr Franz,

der Zusammenhang „realitätsnahe Darstellung der Tiefe“ hängt unmittelbar mit dem Blickwinkel zusammen. Dies unterliegt den opitschen Gesetzten, wenn man beispielsweise 120 Grad Blickwinkel abbilden möchte (3dimensionaler Raum) und das quasi auf den Bildschirm „faltet“ um es 2dimensional zu betrachten. Unabhängig, ob Sie Mittelvormat 35mm, 24mm Vollformat oder beispielsweise 12mm Brennweite an der 7D verwenden ist hierbei nicht entscheidend.

Sie benennen das möglichst schwierigste Beispiel.

Es gibt Möglichkeiten mit der Perpektive zu arbeiten (der Randbereich liegt auf einer weißen Wand ohne irgendwelche Details zu zeigen). Dies dann so eingesetzt, dass die vielleicht extreme Verzerrung eines 12mm Weitwinkelobjektivs wie das neue Tamron hier nicht so störend wahrgenommen werden kann. Ein Fotograf sieht trotzdem, was verwendet wurde für die Aufnahme. Wir lösen Aufnahmen in solchen Räumen mit einem komplexen Stitchingverfahren. Dies wenden wir immer bei ganz schweren Fällen an. Mit einem Nodalpunktadapter werden zwischen 5-10 Aufnahmen erstellt. Diese beim Stitching bereits so weit dies möglich ist, optimiert um der Verzerrung entgegen zu wirken. Das montierte Bild wird dann weiterhin mit den Photoshopmöglichkeiten der „Perpektivischen Korrektur“ so in „Form“ gebracht, dass die ursprüngliche Räumliche tiefe in etwa erhalten ist.

Denn eigentlich ist da 42mm die richtige Brennweite. Auch mit 35mm liegt man nur richtig und kaum Jemand würde die leichte Vergrößerung der Räumliche Tiefe wahrnehmen (Vollformat gerechnet). Damit bildet man aber kein so kleinen Raum ab. Am Ende würde ich als „günstige Variante“ ein älteres 17-40mm kaufen (mindestens 3 Jahre alt, es gab mal eine kleine Änderung die kaum bemerkt wurde, die älteren 17-40mm sind besser als die heute erhältlichen, die auch ein paar Gramm leichter sind). Bei etwa 20mm Brennweite dürfte Ihnen im Hochformat es möglich sein mit etwa 6-8 Aufnahmen möglich sein ein sehr gutes Ergebniss bei Blende 8 zu erzielen. Einen Nodelpunkadapter können Sie für unter 150 Euro erwerben und als Software empfehle ich Ihnen PTGUI. Inhaber einer Photoshopversion werden Sie sicherlich sein.

Vielleicht konnte ich mit dieser einfachen Information ein wenig helfen. Es ist leider genau in Ihrem Fall etwas schwieriger hier ein „perfekte“ und einfache Lösung zu finden.

Viele Grüße aus Köln

dirk baumbach

 

 

 

Hallo Herr Baumbach,

herzlichen Dank für die schnelle, ausführliche und kompetente Beantwortung meiner Frage.
Es hat mir sehr weitergeholfen und macht Lust, in die Materie einzutauchen.
Das findet man nicht oft, einen Profi, der bereit ist sein Wissen so intensiv zu teilen.
Wenn man googelt findet man in Foren oft nur Antworten mit herablassenden Kommentaren auf solche Fragen,
die aber keine ordentliche Lösung des Problems bieten.
Leider kann ich ihnen im Gegenzug keine Tipps geben, weil mir noch die Erfahrung fehlt.
Aber vor langer Zeit, als ich noch als Assistent im Studio Frei(Hr. Frei hat mit Marchesi das Buch „professionelle Beleuchtungstechnik“ gemacht)
in Weil am Rhein beschäftigt war,
habe wir viele Architekturaufnahmen für das Vitra-Design Museum gemacht, auch in Frankreich für Architekten.
Hauptsächlich mit Sinar-Kameras im Großformat(13x18cm und größer).
Damals war die Digitaltechnik noch in den Kinderschuhen, genau so wie die Bildbearbeitung.
Wir hatten einen Airbrush-Retoucheur, der mit Kopflupe auf die Großformatdias z.B. Lichtkanten auf Unterhaltungselektronikgeräte setzte.
Aber was mir aufgefallen ist bei den Kundenpräsentationen, bei denen auch Architekten anwesend waren,
dass oft weniger das einzelne Foto der „gamechanger“ war, ob der Auftrag gut ankam, sondern die Gesamtheit der Fotos.
Da lagen viele Großformatdias auf dem Leuchttisch und jeder hat das eine oder andere Foto lieber oder nicht,
genau wie dem Architekten bestimmte „Ecken“ seines Gebäudes mehr oder weniger gefallen.
Ich will damit sagen, die Fotoauswahl bzw. Zusammenstellung macht in der Kundenpräsentation auch was aus.
Aber die Erfahrung haben Sie vllt. in ähnlicher Weise auch gemacht.
Viele Grüße
Boris Franz